Übungen für die stille Zeit des Rückzugs
Zunächst ein Mini-Exkurs zur Funktionsweise der Amygdala, diesem mandelförmigen kleinen Teil des limbischen, also emotionalen Gehirns. Bei Gefahr lässt die Amygdala uns Angst spüren, um für eine optimale Reaktion auf den berühmten Angriff des Säbelzahntigers vorzubereiten: Angriff, Flucht, Erstarrung. Diese Funktionsweise der Amygdala läuft leider auch ohne diese Dschungelsituation ab. Ausgelöst durch inneren Stress erleben wir Angst nicht selten als Alltagsbegleiter.
Die gute Nachricht ist, dass wir lernen können, unsere Amygdala zu beruhigen. Hier meine Anregungen:
Verlangsame deinen Atem auf etwa 5 Sekunden Einatmen und 5 Sekunden Ausatmen. Mach es so, wie es sich für dich gut anfühlt. Wenn du zuhause bist oder an einem anderen Ruhe- oder Rückzugsort, kannst du jetzt leichte und ganz langsame fließende Körperbewegungen dazunehmen. Das können leichte Übungen aus dem Yoga, Tai Chi oder anderen Richtungen sein oder ganz einfache Bewegungen, die dir Freude machen. Langsame, bewusst ausgeführte Bewegungen regulieren und beruhigen die Koordination zwischen der autonomen Ebene des Hirnstamms (fight-flight-freeze) und dem bewussten Neokortex. Unser Nervensystem profitiert davon, es fährt runter und entspannt sich, wir finden mehr und mehr zu innerer Ruhe und friedlichem Eingestimmtsein. Wir kommen in Verbindung mit uns selbst und unseren inneren Räumen. Das haben wir tatsächlich in der Hand und es könnte ein Gefühl von Selbstwirksamkeit in uns entstehen, wenn wir erleben, dass wir unser Erleben bewusst in eine positive Richtung führen können.
Die folgende Übung ist mir heute zugeflogen, vielleicht spricht sie dich an: Leg beim Einatmen deine Hände vor dem Herzbereich zusammen. Beim Ausatmen strecke die Arme mit den zusammengelegten Händen nach vorn aus, führe sie dann in einem weiten Bogen wie bei einer Schwimmbewegung – nur mit nach oben geöffneten Händen – seitlich nach außen und komme vor dem Herzbereich wieder zur Ausgangsposition. Damit öffnest du den Brustkorb. Im Herzbereich strahlt der Körper hochfrequente Energien aus. Du kannst dich in einem weiteren Schritt beim Einatmen mit den zusammengelegten Händen auf deine Herzqualitäten Dankbarkeit, Mitgefühl, Liebe und Freude einstimmen und bei Ausatmen und Ausstrecken der Arme diese Qualitäten in die Welt ausstrahlen und hineinbringen. Es ist messbar, dass unsere aktivierten Herzqualitäten unser Immunsystem maßgeblich stärken. Diese Immunstärkung schenken wir uns in dieser Übung selbst und der Welt, die dies sicher momentan mehr als gut gebrauchen kann.
Falls du nicht sofort Zugang zu deinen Herzensqualitäten hast, kannst du sie dir erobern. Nimm dir täglich oder häufig Zeit, um dir folgende Fragen zu beantworten: Was liebe ich? Wofür bin ich dankbar?
Beginne mit kleinen Dingen. Was liebst du in deinem Leben? Vielleicht einfach morgens den Blick in einen Himmel, der durch die aufgehende Sonne rot leuchtet? Vielleicht liebst du es zu kochen, in Ruhe zu lesen, nach einem Spaziergang oder einer Übung deinen Körper zu spüren und dein Wohlbehagen? Deine Katze zu streicheln oder einen guten Tee zu genießen?
Und wofür kannst du dankbar sein? Vielleicht einfach dafür, morgens aufzuwachen und da zu sein. Oder ein warmes Bett zu haben, etwas zu essen, eine gute Freundin oder Freund.
Versuch es und mach es regelmäßig, komme ins Spüren des Gefühls von Liebe und Dankbarkeit. Mitgefühl und Freude stellen sich dann fast von selbst ein, wenn das Bewusstsein erst einmal darauf eingestimmt ist.
Alles, was dich darin unterstützt, ein Stück mehr in ein positives Gefühl zu kommen, dient dir dazu, deine Gehirnaktivität positiv zu verändern. Es werden Gehirnareale aktiviert, die dich stärken; Areale, die dich schwächen, werden beruhigt. Dadurch werden Hormone ausgeschüttet und die Biochemie in deinem System ist ganz einfach anders, das Energie- und Freudelevel hebt sich. Du kannst deinem Gehirn selbst beibringen, sich positiv auszurichten. Sei neugierig, lass dich drauf ein, sei dir deiner Widerstände bewusst, falls sie auftauchen und überwinde sie. Du kannst es.
Ich wünsche dir und allen eine gute, gesegnete Zeit und viel Gutes und Nährendes in den stillen Tagen.